Kleidung: Als Rollstuhlfahrer ohne Frieren durch den Winter

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Kinder auf schneebedecktem Rodelhang
Kinder auf schneebedecktem Rodelhang

Foto: T. Hermann

Der Winter birgt für Rollstuhlfahrer einige Tücken. Nicht nur Schnee und Eis machen diese Jahreszeit gerade mit dem Rollstuhl extrem unangenehm, auch die Kälte macht vielen Menschen im Rollstuhl noch mehr zu schaffen als anderen. Welche Kleidung macht im Rollstuhl Sinn für den Winter, welche weniger? Wir haben uns einmal auf dem Markt umgesehen und ein Rundum-Kälteschutz-Paket geschnürt.

Rollstuhl und Winter

Der Winter ist bei den meisten Rollstuhlfahrern verhasst. Schnee und Eis machen das Vorankommen schwierig und kräfteraubend, Schneeberge, die bevorzugt an Bordsteinen zusammengeschoben werden, sorgen für zahlreiche Bordsteinfallen und lange Umwege. Aber auch die Kälte ist für viele Menschen im Rollstuhl ein echtes Problem – aus rein physiologischen Gründen. Denn viele Rollstuhlfahrer haben deutlich weniger Bewegung als Fußgänger, einige natürliche Körpermechanismen zur Wärmegewinnung wie das bekannte Treten vom einen Fuß auf den anderen entfallen. Je nach Grunderkrankung können noch andere Faktoren hinzukommen, die für schnelleres Frieren sorgen – gerade beispielsweise bei Muskelkranken. Was also tun, wenn man dennoch mit dem Rollstuhl ins Freie muss und sich der Kälte ausliefert?

Kleidung

Es gibt Kleidungshersteller, die sich auf Bekleidung für Rollstuhlfahrer spezialisiert haben. Hier wird aber meist eher auf einen auf das Sitzen angepassten Schnitt geachtet – normale Kleidung kann ebenso wirkungsvoll gegen Kälte schützen. Empfehlenswert dabei ist das Zwiebelschalenmodell: viele Kleidungsschichten übereinander sorgen für eine bessere Isolierung als wenige dicke Schichten. Grund dafür ist das Luftpolster zwischen den einzelnen Kleidungsschichten – wie viele Schichten, hängt davon ab, ob man sich als Rollstuhlfahrer beispielsweise ins beheizte Büro begibt und dort wieder unter Zimmertemperatur arbeiten muss. Zudem muss die Beweglichkeit gewährleistet werden. Der Outdoor-Sektor empfiehlt für Expeditionen das Dreischicht-Modell:

  1. Schicht – Funktions-Unterwäsche – idealerweise atmungsaktive Thermo-Unterwäsche und Thermo-Socken, Kniestrümpfe oder Thermo-Strumpfhosen.
  2. Schicht – die Oberbekleidung. Darunter fallen atmungsaktive Hemden, Pullover, Hosen, Westen, eventuell auch Thermo-Wäsche aus Daunen, Fleece oder mit Wattierung.
  3. Schicht – Atmungsaktive Jacken, Mäntel, ggf. Überhosen, Mützen, Schals, Handschuhe und co. – also alles, was vor Wind und Wetter schützt.

Es kann sich daher lohnen, sich im Outdoor-Fachhandel nach Thermo-Unterwäsche umzusehen. Die ist zwar deutlich kostspieliger als normale Unterwäsche, sorgt aber schon von der ersten Schicht an für einen idealen Wärmeerhalt. Vollständig atmungsaktive Schichten sind wichtig, um dafür zu sorgen, dass sich keine Feuchtigkeit unter den Schichten staut. Sonst entstehen durch Feuchtigkeit Kältebrücken und Verdunstung.

Eine beispielhafte Zusammenstellung meiner Partnerin sähe wie folgt aus:

  • Thermo-Strumpfhose
  • Thermo-Unterhemd
  • Kniestrümpfe aus Wolle
  • Gefütterte Stiefel
  • Jeans
  • Wollpullover
  • Mantel
  • Schal
  • Mütze
  • Handschuhe

Bereits hier dürften vielen Rollstuhlfahrern Fragen aufkommen – denn heiß diskutiert ist auch das folgende Thema:

Handschuhe für Rollstuhlfahrer

Im kalten Winter werden Rollstuhlfahrer mit manuellem Antrieb noch vor eine ganz andere Hürde gestellt – nämlich die Wahl der Handschuhe. Die fällt schwerer, als manch Unbeteiligter ahnen mag, denn an die Handschuhe werden einige Anforderungen gestellt:

  • Greifgefühl – wodurch dick wattierte Ski-Handschuhe in den meisten Fällen ausscheiden
  • Kälteisolierung – denn die Greifreifen sind gerade ohne Schutzüberzug eiskalt im Winter
  • Rutschfestigkeit – um ein Abrutschen an Greifreifen mit Schneematsch und dergleichen zu vermeiden
  • Schmutzabsorbierung und gute Reinigungseigenschaften aufgrund von Schnee-Salz-Gemisch an den Greifreifen

Hier sind dünne Handschuhe aus schmutzabweisendem und wasserfestem Material gefragt, die dennoch o.g. Kriterien erfüllen. Am ehesten kommen dabei Winter-Fahrradhandschuhe aus Thinsulate oder ähnlichem Material infrage, die zudem über eine Anti-Rutsch-Beschichtung an der Handinnenseite verfügen, auch der Bergsport-Sektor bietet inzwischen einige geeignete Lösungen. Einfache Lederhandschuhe hingegen sind für die meisten Rollstuhlfahrer unbrauchbar, da sie die Kälte des Greifreifens nahezu direkt weitergeben und das Material zudem stark in Mitleidenschaft gezogen würde durch die ständige Nässe.

Sonstige Hilfsmittel

Nicht nur Rollstuhlfahrer sind mitunter reichliche Frostbeulen – und so hat sich auf dem Markt inzwischen einiges getan, was auch Menschen im Rollstuhl im Winter zugute kommt. Empfehlenswerte Hilfsmittel, um im Rollstuhl zumindest mit etwas weniger Frieren durch den Winter zu kommen:

  • Stoov Wärmeprodukte – eine niederländische Firma, die Infrarot-Wärmeprodukte produziert. Die Kissen und Decken sind mit Akku und Infrarot-Folie ausgestattet und wärmen direkt den Körper, ohne Wärme an die Luft abzugeben. Deshalb reichen auch die maximal 42 Grad, die sie erreichen können, gut aus. Sie sind höherpreisig, aber die Leistung und vor allem der Support haben uns überzeugt. Wir hatten gleich zwei Defekte, die aber problemlos kostenlos austauscht wurden. Gibt es hier: Stoov.de
  • Gel-Taschenwärmer – der Klassiker. Werden im Kochtopf aufbereitet und durch einfaches Drücken aktiviert. Müssen aber immer wieder einmal ausgetauscht werden, weil sie mit der Zeit ihre Heizkraft verlieren. Bei ihrem geringen Preis allerdings wohl verschmerzbar.
  • Thermo-Einlegesohlen – ein Muss gerade für frierende Rollstuhlfahrer, da die Füße auf dem Fußbrett ständig von kalter Luft umgeben sind und kaum bewegt werden. Wahlweise als günstige Fell-Einlegesohle oder sogar als Warm Up-Sohlenwärmer mit derselben Technik wie die Gel-Taschenwärmer erhältlich (Reitsport-Zubehör, z.B. hier: Loesdau.de)
  • Aktive Heizsohle – werden mit Akkus betrieben und beheizen Schuhe für einige Stunden (z.B. hier: Amazon.de)

Sonstige Tipps und Tricks

Bewegung ist wichtig! Wenn möglich, sollten auch Rollstuhlfahrer im Rahmen ihrer jeweiligen Fähigkeiten soviel Bewegung wie möglich zu betreiben – vom Zehenwackeln zur Durchblutungsförderung über einfache Beinhebeübungen bis hin zu einem stärkeren Körpereinsatz beim Fahren. Aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Krankheits- und Verletzungsbilder sind hier universelle Tipps kaum möglich – wer sich beispielsweise in Physiotherapie befindet, sollte einmal mit seinem Therapeuten mögliche Übungen zur Wärmegewinnung durchsprechen.

Eure Tipps

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2 Kommentare
  1. Bettina Schwarz sagte:

    So 100% kenne ich mich immer noch nicht aus, zumal wir das Problem haben, dass die Maus sich auch im Walker bewegt. Das bedeutet auf langen Strecken Rolli und in kurzen intensive Schwitzarbeit.
    Daher bin ich auch der Zwiebelprinzipienreiter. Allerdings aufgrund der Schwitzproblematik nehme ich keine Tec-Materialien sondern Wolle. Das geht bei kleineren Mäusen auch gut, ob man das auch als Erwachsene machen will, ist fraglich. Nicht jeder mag so öko aussehen und ich werde da demnächste auch intensive Diskussionen bekommen, aber in der Kombination Ruhe in Kälte und Bewegung in Wärme funktioniert das gut.

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