Pflegegeld: Der wiederkehrende Beratungseinsatz als Chance

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Geldscheine
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Foto: Maik Meid/flickr.com (cc by 2.0)

Wer Pflegegeld bezieht, kennt ihn zur Genüge: den Beratungseinsatz durch einen Pflegedienst, der mehrmals jährlich stattfinden muss, damit die Pflegekasse weiterhin das Pflegegeld überweist. In nicht wenigen Fällen wird er als lästige Pflicht wahrgenommen – und das nicht einmal zu Unrecht. Denn die “Empfehlungen zur Qualitätssicherung der Beratungsbesuche”, die im Jahr 2003 von Vertretern der Versicherern zusammen mit Vertretern einiger Wohlfahrts- und Pflegeverbände ausgearbeitet haben und in denen Rahmenbedingungen für den wiederkehrenden Beratungseinsatz festgelegt werden, sind extrem schwammig. Zudem scheitert die Qualität der Beratungsgespräche häufig noch an einem ganz anderen Detail.

Post von der Krankenkasse: Der Beratungseinsatz ist wieder einmal fällig, sonst wird das Pflegegeld gekürzt. Diese Konstellation ist unter Pflegegeldbeziehern und Pflegenden wohl bestens bekannt und ist meist mit einem genervten Seufzen verbunden. Warum müssen Plegegeldbezieher eigentlich regelmäßig den Besuch eines Pflegedienstes über sich ergehen lassen? Und was ist der Sinn?

Rechtsgrundlage für den Beratungseinsatz ist der Absatz 3 des §37 SGB XI. In §37 SGB XI wird das Pflegegeld geregelt. Absatz 3 schreibt vor, dass Empfänger von Pflegegeld mehrmals jährlich einen Beratungseinsatz durch einen zertifizierten Dienstleister (meist: einem ambulanten Krankenpflegedienst) in Anspruch nehmen müssen – bei Pflegestufe I und II alle 6 Monate, bei Pflegestufe III sogar alle 3 Monate. Ziel ist laut Gesetz die “Sicherung der Qualität der häuslichen Pflege und der regelmäßigen Hilfestellung und praktischen pflegefachlichen Unterstützung der häuslich Pflegenden.” (§37 Abs. 3 SGB XI). Einzelheiten werden  in den “Empfehlungen zur Qualitätssicherung der Beratungsbesuche” geregelt – oder auch nicht.

Der Entwurf, den die Spitzenverbände im Jahr 2003 ausgearbeitet haben, sieht eine Begutachtung des häuslichen Umfelds und der Pflegesituation vor, um zu prüfen, ob die häusliche Pflege sichergestellt ist. Zudem soll eine Beratung über arbeitserleichternde Hilfsmittel sowie Leistungen der Pflegekasse erfolgen. Sehr viel mehr ins Detail gehen die Empfehlungen nicht. Letztlich entstehen hierdurch sehr subjektive und individuelle Abläufe, denn schon die Grundvoraussetzung, dass der Beratungseinsatz stets durch eine Fachkraft erfolgen soll, die mit dem Krankheitsbild des zu Pflegenden vertraut ist, ist in vielen Fällen schlicht nicht erfüllbar. Dies würde entweder eine Heerschar von Beratern bei dem jeweiligen Pflegedienst voraussetzen, oder eine Fachkraft, die eine medizinische Kompetenz weit über das Grundwissen approbierter Ärzte besitzt.

Der Beratungseinsatz wird schon aus diesem Grund meist eher widerwillig in Anspruch genommen. Meist endet er bei chronisch Kranken mit einem Absitzen der Zeit bei einer Tasse Kaffee und Smalltalk, manche Pflegedienste sind auch bereits dazu übergegangen, bestimmten bekannten Patienten nur noch das Protokoll zur Unterschrift zu übersenden. Warum? Das hat zwei Gründe: die Pflegesituation ändert sich häufig über Jahre hinweg nicht im geringsten. Der Pflegedienst kann also schlicht nichts beitragen, um die Situation zu verändern, da sie bereits optimal ist. Zum anderen liegt die Vergütung der Beratungseinsätze bei gerade einmal 21 Euro (PS 1 und 2), sodass auch für die Pflegedienste selbst daraus eine unwirtschaftliche Konstellation entsteht und kaum Zeit für eine eingehende Beratung verfügbar ist.

Kein Wunder also, dass auch Pflegedienste den Beratungseinsatz zunehmend als lästige Pflicht und als Chance zur Kundengewinnung betrachten. Und angesichts des Eifers, mit dem manche Pflegedienste beim Beratungseinsatz darauf drängen, bestimmte hochpreisige Hilfsmittel verordnen zu lassen, die gar nicht erwünscht sind, könnte man gar auf den Gedanken eines Provisionsmodells kommen, um den Beratungseinsatz zu refinanzieren.

Unsere Bilanz nach vielen Jahren mit Beratungseinsätzen ist ernüchternd. Ein Pflegedienst kam zu einer gemütlichen Tasse Kaffee. Ein anderer Pflegedienst schickte nach der Erstbegutachtung nur noch das Formular zur Unterschrift, ein weiterer hingegen verbrachte satte anderthalb Stunden in unserer Wohnung, bat mich als Pflegeperson vor die Tür und begehrte meine Partnerin körperlich auf Misshandlungsspuren zu untersuchen – was uns beide mehr als erschüttert hat. Denn dies ist ausdrücklich nur mit Einwilligung des Patienten und nur bei konkret gegebenem Verdacht zulässig laut den Empfehlungen. Dementsprechend war auch dies der letzte Einsatz jenes Pflegedienstes bei uns. Der neueste Pflegedienst, den wir nach dem Umzug hatten, erklärte uns wiederum erst einmal rund heraus, dass wir den Pflegedienst keinesfalls wechseln dürften (!) – was gesetzlich unhaltbar ist. Anschließend drängte die Dame darauf, dass unser Duschbrett, das sich nun seit Langem bewährt hat und auch der Mobilisierung meiner Partnerin dient, ungeeignet sei und wir doch einen Badelifter anschaffen mögen. Es bedurfte einiger energischer Worte, um der Dame zu verdeutlichen, dass wir durchaus Routine haben und einen soliden Überblick über den Markt der aktuellen Hilfsmittel haben. Dem Fass wurde der Boden ausgeschlagen, als sie erklärte, man könne sich ja den Lifter von der Kasse bezahlen lassen und bei Nichtgefallen wegstellen – Hauptsache, er wäre da. Wenn so etwas die gängige Praxis bei Beratungseinsätzen ist, sollte sich niemand mehr über ständig steigende Krankenkassen-Beiträge wundern.

Versagt haben sämtliche Pflegedienste an einem ganz anderen, entscheidenden Punkt: bei dem wichtigen Hinweis auf geldwerte Leistungen. Niemand wies uns darauf hin, dass wir einen grundsätzlichen Anspruch auf Verhinderungspflege haben. Niemand wies uns auf das Anrecht auf Stromkostenerstattung für Hilfsmittel hin. Jeder Beratungseinsatz verlief bisher mehr oder weniger ergebnislos, mancher endete mit einem Gefühl der Wut im Bauch. Keiner hatte dazu beigetragen, unsere recht gute Situation zu verbessern.

Letztlich wird der Beratungseinsatz in vielen Fällen einfach nur als Gängelung und Kontrollbesuch wahrgenommen. Und leider vermittelt er häufig auch genau diesen Eindruck, anstatt konstruktiv zu wirken. Und mal ehrlich: welche Neuerungen genau soll gerade uns, die beide im Leben stehen und auch noch als Berater rund um Mobilität tätig sind, ein verordneter Pflegedienst vermitteln?

Es wäre wünschenswert, wenn die Gesetzeslage an die Realität angepasst würde – und gleichzeitig auch die völlig wertlosen Empfehlungen der Spitzenverbände zu einer konkreten Leitlinie ausgearbeitet würden. Erst dann würde der Beratungseinsatz auch wirklich sachdienlich.

2 Kommentare
  1. Gerhard Kreuter sagte:

    Zur Ehrenrettung des mich betreuenden Pflegedienstes muß ich sagen das während des reinen Pflegegeldbezuges ich über die Verhinderungspflege und geldliche Leistungen und andere Leistungen umfassend informiert wurde. Seit dem ich die Kombipfle aus Sach- und Geldleistung gewählt habe entfällt der Pflegeeinsatz. Trotzdem werde ich ein bis zweimal im Jahr ausser der Reihe aufgesucht und mir werden eventuelle Neuigkeiten unterbreitet.

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