Mit dem Rollstuhl auf Festivals oder Open-Airs – Praxistipps

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Foto: Rollstuhl auf Festival

Foto: Rollstuhl auf FestivalBehinderung ist kein Grund, keinen Spaß am Leben zu haben. Und auch Rollstuhlfahrer wollen ab und zu an die frische Luft und das tun, was alle anderen auch tun. Die meisten Hürden im Alltag sind bekannt – Bordsteine, Kopfsteinpflaster, Treppen, nicht funktionierende Aufzüge und andere Fallen warten alltäglich für Rollstuhlfahrer. Wie sieht es aber eigentlich mit Festivals aus? Kann man mit Rollstuhl ein Festival oder andere Open Air-Veranstaltungen besuchen? Zunächst: ja.

Grundsätzlich ist ein Rollstuhl kein Hindernis, an einem Festival teilzuhaben. Grenzen sind hier aber dennoch gesetzt – teilweise recht eng. Pauschalaussagen über Rollstuhlgerechtigkeit sind unmöglich – zu viele individuelle Anforderungen und zuviele individuelle Bestrebungen der Veranstalter, ihr Festival rollstuhlgerecht zu gestalten, stehen hier im Weg.

Grundproblematiken mit dem Rollstuhl auf Festivals

Unabhängig davon müssen sich Rollstuhlfahrer und Menschen mit anderen Behinderungen praktisch überall auf zwei Grundprobleme einstellen: schlechte Wege und Wetterabhängigkeit. Eine ganze Reihe der größeren Festivals in Deutschland stellt sich inzwischen mehr oder weniger auf Besucher mit Behinderungen ein und errichtet Rollstuhlrampen für eine verbesserte Sicht, stellt rollstuhlgerechte Dixi-Klos zur Verfügung und achtet zumindest teilweise darauf, dass die Wege einigermaßen rollstuhltauglich sind. Soweit die Theorie. In der Praxis kann aber oftmals nicht jede individuelle Anforderung berücksichtigt werden, sodass Kompromissbereitschaft und der Wille zu spontaner Improvisation unumgänglich sind, will man mit dem Rollstuhl an einem Festival teilnehmen.

Vor dem Besuch unbedingt Fragen klären

Im Einzelfall müssen sich Behinderte erst einmal Gedanken darüber machen, welche Mindestanforderungen erfüllt sein müssen, um den Festivalbesuch zu ermöglichen. Die Webseite des Veranstalters gibt hierzu in aller Regel Aufschluss, bleiben Fragen offen, sollten diese im Kontakt mit dem Veranstalter ausgeräumt werden.

In Norddeutschland bieten beispielsweise das Hurricane-Festival in Scheeßel, das Wacken Open Air und das Deichbrand-Rockfestival grundsätzlich die Möglichkeit, dort mit Rollstuhl anzukommen.
In Wacken gibt es sogar einen eigenen Campingbereich für Behinderte, der möglichst nahe an das Veranstaltungsgelände gelegt wird und mit Rollstuhl-Dixiklos ausgestattet wird. Rampen und Podeste sorgen für einigermaßen freie Sicht auf die Hauptbühnen, die Nebenbühnen allerdings sind für die meisten Besucher im Rollstuhl unsichtbar.
Auf dem Deichbrand-Festival, das am Seeflughafen Cuxhaven-Nordholz veranstaltet wird, gibt es theoretisch sogar durchgehend asphaltierte Straßen zum Rollstuhl-Turm, die allerdings durch den Backstage-Bereich führen. Hier muss mit der Security abgeklärt werden, ob eine Passage möglich ist.

Weitere Bedürfnisse wie beispielsweise Strom für medizinisches Gerät müssen individuell und möglichst frühzeitig mit dem Veranstalter besprochen werden – nicht immer ist das möglich. Und über eines sollten sich Rollstuhlfahrer im Klaren sein: ohne Begleiter ist der Besuch eines Festivals im Rollstuhl nahezu aussichtslos, insbesondere, wenn schlechtes Wetter das Gelände in eine Schlammgrube verwandelt.

Checkliste zum Abarbeiten vor Festivals und Praxistipps

  • Rollstuhltauglichkeit und ggf. individuelle Anforderungen mit Veranstalter abklären
  • Kontakt eines lokalen Sanitätshauses heraussuchen – unter der teils extremen Belastung kann es durchaus zu Schäden am Rollstuhl kommen
  • Medizinische Pässe und dergleichen mitführen
  • Wenn möglich, geländetaugliche Reifen beschaffen – bei manuellen Rollstühlen mit Steckachsen sind in der Regel ohnehin zwei paar Räder Standard bei der Auslieferung. Hier kann es nützlich sein, pannensichere Leichtlaufreifen für den Alltag auf das eine Paar und geländetaugliche Bereifung auf den anderen Felgensatz aufziehen zu lassen
  • Für Wetterschutz sorgen! Warme Kleidung zum Überziehen sind Minimum, ein Regencape sollte ebenfalls vorhanden sein. Tipp: auf vielen Festivals verteilen Promoteams etwas stabilere, reißfestere große Regencapes, die den gesamten Rollstuhl vor Regen schützen können. Besser aber auf jeden Fall einen Poncho mitführen und nicht darauf verlassen, dass vor Ort welche verschenkt werden.
  • Auch für den Begleiter stabiles Schuhwerk mit griffigen Sohlen und Schutz vor Nässe einpacken – Rampen können im Regen tückisch glatt sein!
  • Hilfreich zudem: Taschenlampe, Plastiktüte für mitgeführte Utensilien, Sonnenschutz!

Wer mit dem Rollstuhl auf ein Festival fährt, muss sich auf unterschiedliche Gegebenheiten einstellen: Brütende Hitze, Sonne und Staub können Besuchern ebenso zu schaffen machen wie Regen, der die meisten Open Air-Gelände binnen kürzester Zeit in eine Schlammgrube verwandelt. Erfahrungsgemäß ist aber Schlamm auch das größere Problem – wenn gar nichts mehr geht, brauchen Rollstuhlfahrer oder deren Begleiter nicht zögern, die Security um Hilfe zu bitten. Auf jedem großen Festival sind Sanitäts- und Rettungsdienst, Polizei, Sicherheitsdienste, Feuerwehr und THW in großer Mannstärke verfügbar und packen an, wenn es nötig wird. Und bei uns hat sich noch immer irgendjemand gefunden, der auch kurzfristig Problemlösungen parat hatte, sei es die Befreiung aus dem Schlammbad mit Hilfe der Feuerwehr, der Rückkehr auf einem Unimog des THW oder der Transfer mit einem Geländewagen. Wer nett fragt, dem wird im Normalfall keine Hilfe verwehrt.

Links zu Infoseiten der Festivals und allgemeinen Hilfestellungen:

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