Wohnwagen Seitenansicht mit Holzpodest und Rampe

Nach knapp zwei Monaten der Kontakt- und Reisebeschränkungen nimmt das Leben wieder Fahrt auf, die Straßen sind brechend voll, und auffallend viele Campingfahrzeuge sind auf Achse. Auch wir haben uns einen Wohnwagen zugelegt – allerdings tatsächlich schon vor der Corona-Krise. In Zeiten der Pandemie ermöglicht er uns ein kleines Stück Freiheit. Über unser neues Leben mit dem Virus.

Der kleine Lord

Schon vor einigen Monaten hatte uns der Familienrat mit der Anschaffung und dem Umbau eines Wohnwagens beauftragt, damit die beiden Rollstuhlfahrer in unser Familie, nämlich Adina und unser Schwager, einfacher an Familientreffen bei Adinas Oma teilhaben können. Nun steht er inzwischen mit verbreiteter Tür und einem Podest samt Rampe in der Mecklenburgischen Seenplatte. Für uns als Berliner ein echter Glücksfall. Diese Zeilen hier entstehen gerade in unserem Ausweichdomizil fernab des Metropolen-Trubels, Sonne und Regen wechseln sich ab, der Kaffeekocher steht blubbernd auf dem Herd, und durch die geöffnete Dachluke hören wir die Vögel zwitschern. Eigentlich wären wir in drei Wochen nach Nordrhein-Westfalen aufgebrochen, wollten im Herbst Slowenien besuchen und drei Ostsee-Städte per Schiff erkunden. Aus all den schönen Plänen aus dem März wurde bekanntermaßen nichts, ein kleines Virus hat unsere Pläne – wie die der meisten Menschen – restlos durchkreuzt. Doch es gibt ja auch eine gute Seite.

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Die Rückkehr des Camping-Booms

In den goldenen Sechziger Jahren erlebte Camping im Westen Deutschlands einen wahren Boom. Mit dem Zelt oder mit dem Wohnwagen, meist mit sehr spartanischer Ausstattung, ging es klischeehaft meist über den Brenner Richtung Gardasee. In der DDR war Camping zu dieser Zeit noch eher unüblich, mangels Material und ausreichend motorisierten Zugwagen gab es in den frühen Jahren der DDR allenfalls Eigenbauten, später kamen leichte Wohnwagen aus Kunststoff und Dachzelte auf den Markt.
Viele Menschen verbrachten bis in die Achtziger Jahre ihre gesamten Sommerferien auf Campingplätzen in Österreich, Italien oder den Niederlanden, dann allmählich wurden Flugreisen und insbesondere auch Fernreisen erschwinglich, und der Camping-Trend nahm allmählich ab.
Nun kam ein winzig kleines Virus und stellt die Welt auf den Kopf. Auch wenn Reisewarnungen inzwischen zurückgenommen wurden, bleibt die Unsicherheit, denn zu vieles ist über Sars-CoV-2, wie das Virus getauft wurde, noch unbekannt. Selbst die Ansteckungswege sind noch nicht gesichert erforscht, ein Impfstoff vermutlich in weiter Ferne. Stundenlang in einem engen Flugzeug sitzen ist dabei eine eher beklemmende Vorstellung für viele, und die oft schlechtere medizinische Versorgung in fremden Ländern kann bei einer Ansteckung zu einer brisanten Lage führen. Es ist also gar nicht verwunderlich, dass der in den letzten Jahren schon deutlich ansteigende Trend zu innerdeutschem Tourismus nun erst recht explodiert, und auch die Nachfrage nach Campingfahrzeugen, seien es nun Wohnmobile oder Wohnwagen, ist exorbitant gestiegen.

Freiheit – und Sicherheit

Camping erlebt gerade eine echte Renaissance, und wir wissen, warum: wir haben hier unsere eigenen vier Wände, ein eigenes Bett, eigene Toilette, und kommen mit Menschen nur in Kontakt, wenn wir wollen. Von Berlin aus steht unser Domizil nur knapp über 100 Kilometer entfernt und ist per Auto relativ schnell erreichbar. Hier in der kleinen Bungalow-Siedlung inmitten des Nirgendwo haben wir uns unseren Rückzugsort geschaffen, zu dem wir flüchten können, wenn die Stadt zu bedrückend wird und die Natur fehlt. Massenansammlungen von Menschen versuchen wir nach wie vor zu vermeiden, so gut es geht, und so ist die Reiselust, die uns sonst antreibt, durchaus noch vorhanden, aber gebremst. Wir verlagern unsere Pläne einfach auf Zeiten, in denen die weltweite Lage etwas überschaubarer ist, und entdecken unsere Umgebung neu: Das Berliner Umland, das wir auch durch Adinas Rollstuhl-Zuggerät jetzt ganz neu entdecken können, die Mark und die Mecklenburgische Seenplatte, die inzwischen zu unserer zweiten Heimat geworden ist, sind erstmal definitiv genug – und eine Reise wert!*

* An dieser Stelle hätten wir noch ewig weitermachen können, aber der Kaffee ist inzwischen durchgelaufen, und Oma hat noch Kekse, deshalb endet dieser Beitrag hier. Bleibt gesund!