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Heimbeatmungsgerät ResMed VS Ultra
Heimbeatmungsgerät ResMed VS Ultra

ResMed VS Ultra (public domain)

Im Zeitalter der Mobilität gibt es nur noch wenige Grenzen. Während Fliegen für Rollstuhlfahrer mittlerweile praktisch problemlos möglich ist, stoßen gerade heimbeatmete Menschen leicht an Grenzen. Und bei Flugreisen gibt es für sie einiges zu beachten, um gefährliche Situationen zu vermeiden. Mobilista.eu hat Experten befragt, welche Vorbereitungen unbedingt getroffen werden sollten, denn im Flugzeug herrschen vollkommen andere Druckverhältnisse als auf dem Boden. Und für Patienten, die intermittierend oder ständig häuslich beatmet werden, können Fehler hier lebensgefährliche Folgen haben. Weiterlesen

Tanzende Mädchen auf dem Sziget-Festival

 

Die SOZIALHELDEN e.V. sind auf das Sziget-Festival in Budapest gereist, um für Wheelmap.org zu prüfen, wie rollstuhlgerecht das Festival ist. Zu diesem Zweck entsandten sie Grafikerin Adina, und ich durfte sie auf ihrer Reise begleiten. Wie ist es also, mit dem Rollstuhl auf das Sziget-Festival zu fliegen, noch dazu in ein unbekanntes Land?
Ein Reisebericht. Weiterlesen

Flugzeug im Landeanflug

5742228592_2cd212fbcb_b-1Mobilität. Damit werben alle Dienstleister im Personenverkehr. Sei es die Deutsche Bahn, oder seien es Airlines (Fluggesellschaften): sie alle haben sich Mobilität zum zentralen Geschäftsfeld gemacht. Mit Rollstuhl, Gehbehinderungen, mit Behinderungen im Bereich Sehen oder Hören wird Mobilität aber schnell weniger selbstverständlich. Bereits vor einiger Zeit hatte ich unsere Erfahrungen zu Reisen im Rollstuhl mit der Bahn berichtet und einige Praxistipps gegeben, in diesem Beitrag möchte ich auf die Besonderheiten beim Reisen mit dem Flugzeug und Rollstuhl und/oder anderen Behinderungen eingehen.

Rechtliche Grundlagen beim Fliegen mit Behinderung

Flugreisen sind mit Rollstuhl ebenso wie mit Behinderungen aller Art eine Ecke komplizierter. Das liegt insbesondere daran, dass es keine einheitliche Gesetzgebung oder Regulierung gibt und die Airlines zudem sehr viel Auslegungsspielraum haben. In der EU gilt derzeit das Dokument Nummer 1107/2006 mit dem Titel “Guidelines to improve and facilitate the application of Regulation”, das den Fluggesellschaften gewisse Verfahrensweisen zum Umgang mit Behinderten (PRM, People with Reduced Mobility), Schwangeren, Kindern und Senioren nahelegt. Nur wenige Passagen daraus sind klar definiert, was inzwischen auch die Internationale Flug-Transport-Vereinigung IATA (International Air Transport Association) moniert.

Was aber ganz klar und deutlich definiert ist und worauf sich Flugpassagiere jederzeit berufen können:
Airlines dürfen Behinderte nicht abweisen!
Dies ergibt sich aus folgendem Artikel (Verordnungstext siehe Links):

Artikel 3
Beförderungspflicht
Ein Luftfahrtunternehmen, sein Erfüllungsgehilfe oder ein Reiseunternehmen darf sich nicht aus Gründen der Behinderung oder der eingeschränkten Mobilität des Fluggastes weigern,
a) eine Buchung für einen Flug ab oder zu einem unter diese Verordnung fallenden Flughafen zu akzeptieren;
b) einen behinderten Menschen oder eine Person mit eingeschränkter Mobilität auf einem solchen Flughafen an Bord zu nehmen, sofern die betreffende Person über einen gültigen Flugschein und eine gültige Buchung verfügt.

Art. 4 regelt wenige Ausnahmefälle, nämlich den Fall, dass der Transport eines Fluggastes die Sicherheit an Bord gefährden würde oder den zweiten Fall, dass der Fluggast schlichtweg aufgrund seiner Körperfülle nicht an Bord gehen kann, weil er nicht durch die Türen passt. In allen anderen Fällen darf die Airline dem Fluggast nicht die Beförderung verweigern! Selbiges gilt für den Begleiter: alle Airlines setzen für Personen mit Beeinträchtigungen in der Mobilität (PRM, also Behinderte mit schwerer Gehbehinderung, Rollstuhl, Blinde etc., die sich nicht ohne Hilfe allein an Bord bewegen können) eine Begleitperson voraus. In der Praxis sieht das leider anders aus: immer wieder berichten Menschen, dass sie aufgrund ihrer Behinderung nicht befördert wurden, obwohl sie ein gültiges Flugticket besaßen. Das ist absolut unzulässig und wurde just von der EU ausdrücklich gerügt!

Das zweite Problem: das Papier von der EU ist zu ungenau. Es lässt erheblichen Interpretationsspielraum, der von vielen Ländern und Airlines auch reichlich ausgenutzt wird. Auch deshalb drängt die IATA auf eine einheitliche Gesetzgebung mit klaren Richtlinien.

Fliegen mit Behinderung – die Praxis

Soweit zum Rechtlichen. Praktisch sieht es so aus, dass Behinderte gut daran tun, sich wenigstens eine Woche vor dem geplanten oder bereits gebuchten Abflug mit der Airline in Verbindung zu setzen und ihr mitzuteilen, dass sie zur Gruppe der PRM gehören. Denn auch am Flughafen kann mitunter je nach Airport und Management ein wenig Vorbereitung notwendig sein – selbst das Handling des Rollstuhls unterscheidet sich je nach Airport. Während wir in den meisten internationalen Airports und auch in Hamburg-Fuhlsbüttel immer mit dem Rollstuhl direkt an die Kabine heranfahren konnten und der Rollstuhl anschließend von einem Verlademitarbeiter in den Laderaum verbracht wurde, mussten wir den Rollstuhl in Berlin-Schönefeld bereits am Check-In gegen einen flughafeneigenen Rollstuhl austauschen. Zudem werden Flugzeuge, die ein Boarding oder Unboarding von Menschen mit Behinderung angemeldet haben, meist über den Finger, also ebenerdig über die schwenkbare Brücke geboardet und nicht auf einer Außenposition geparkt, die nur über Shuttlebusse zugänglich ist. Es ist also schon im eigenen Interesse, sich vorher bemerkbar zu machen und möglichst auch zusätzliches Handgepäck (medizinisches Gerät sollte nach Möglichkeit NIE als Gepäck aufgegeben werden, da sowohl versicherungsrechtlich als auch organisatorisch bei Schäden Probleme auftreten können!) vorher angemeldet werden.

Negative Erfahrungen haben wir persönlich noch mit keiner deutschen Airline gemacht, egal ob TUIfly, Air Berlin, Condor oder auch EasyJet. Insofern können wir hier keine Empfehlung aussprechen – mit einer Ausnahme, nämlich dem Kostenfaktor.

Vergünstigungen für Schwerbehinderte und Begleiter bei Flügen

Wer vom Nachteilsausgleich im ÖPNV und der Bahn verwöhnt ist, wird hier enttäuscht: in aller Regel gibt es kaum Vergünstigungen für Menschen mit Behinderungen bei Airlines. Lediglich die Sitzplatzreservierung ist bei den meisten Airlines kostenlos. Und ganz wichtig: der Rollstuhl zählt nicht als Gepäck! Der Transport des Rollstuhls im Flugzeug darf weder berechnet werden noch auf die vertragliche Menge an Freigepäck angerechnet werden.
Positiv hervorzuheben ist hier einzig AirBerlin: Begleitpersonen von Passagieren mit Schwerbehindertenausweis und eingetragenem Merkzeichen “B” (oder vergleichbar) zahlen bei airberlin auf innerdeutschen Flügen nur die Steuern und Gebühren sowie die Service Charge.
AirBerlin ist damit nach meinem Kenntnisstand die einzige Airline in Deutschland, die wenigstens auf Inlandsflügen Begleiter kostenlos befördert und damit die entsprechende Empfehlung der Europäischen Kommission immerhin teilweise umsetzt.

Praxistipps zum Fliegen mit Rollstuhl oder Gehbehinderung

Aufgrund der drastischen Unterschiede im Handling von PRM je nach Airline, Flughafen und dergleichen fällt es schwer, allgemeingültige Praxistipps auszusprechen. Gerade bei internationalen Flügen ist allerdings wichtig, dass im Vorfeld klar kommuniziert wurde, welche Anforderungen der Fluggast besitzt. Hierfür gibt es sogenannte Special Service Request-Codes, kurz SSR-Codes. Hier gibt es internationale Standards im Bereich PRM, sodass hier klare Anmeldungen erfolgen können – trotz Sprachhürden. Wir melden Flugreisen daher inzwischen generell mit den entsprechenden SSR-Codes an, um unnötigen Aufwand am Flughafen seitens des Servicepersonals ebenso wie überraschtes, weil uninformiertes Servicepersonal zu vermeiden.

Welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Ich freue mich auf Input!

SSR-Codes für Menschen mit Behinderung

  • BDGP – Blinder oder sehbeeinträchtiger Fluggast mit Blindenhund – keine weitere Assistenz benötigt.
  • BDGR – Blinder oder sehbeeinträchtiger Fluggast mit Blindenhund – Begleitung vom Terminal zum Flugzeug und zurück erforderlich.
  • BLND – Fluggast blind.
  • BLDP – Blinder oder sehbeeinträchtiger Fluggast ohne Blindenhund oder Begleiter – keine weitere Assistenz benötigt.
  • BLDR – Blinder oder sehbeeinträchtiger Fluggast ohne Blindenhund oder Begleiter – Begleitung vom Terminal zum Flugzeug und zurück erforderlich.
  • BLSC – Blinder oder sehbeeinträchtiger Fluggast mit Begleiter – keine weitere Assistenz benötigt.
  • DMAA – Fluggast mit intellektuellen Einschränkungen, der Sicherheitsanweisungen versteht und umsetzen kann – keine persönliche Assistenz, aber Begleiter vom Terminal zum Flugzeug und zurück benötigt.
  • DEAF – Fluggast taub.
  • ESAN – Fluggast reist mit Hund zur psychischen Unterstützung.
  • MAAS – Fluggast benötigt Hilfe bei der Gepäckausgabe und bei Anschlussflügen, auch in Verbindung mit BLIND und DEAF.
  • MEDA – Medizinisches Gerät mit Sauerstoff.
  • PPOC – Fluggast mit geprüftem tragbaren Sauerstoffkonzentrator.
  • SVAN – Fluggast mit Diensthund.
  • WCOB – Fluggast mit Rollstuhl an Bord – benötigt Assistenz an Bord.
  • WCHR – Rollstuhl zur Rampe – Fluggast kann Stufen überwinden und selbständig in der Kabine bewegen, benötigt aber Assistenz bis zum Flugzeug.
  • WCHS – Rollstuhl oberhalb Stufen – Fluggast kann keine Stufen überwinden, aber selbständig in der Kabine bewegen.
  • WCHC – Rollstuhl an Bord – Fluggast benötigt Onboard-Rollstuhl und muss umgesetzt werden.
  • WCMP – Manueller Rollstuhl ohne Batterie.
  • WCBD – Rollstuhl mit Trockenzellen-Batterie.
  • WCBW – Rollstuhl mit Nasszellen-Batterie.

Weiterführende Links

Foto: Shreyans Bhansali / flickr.com under cc-by-nc-sa-2.0