“Bon Bini – Willkommen in der Karibik!”
Um 15:30 Uhr Ortszeit erreichen wir das Aparthotel „Dolphin Suites“. Zuhause ist es inzwischen 21:30 Uhr, wir sind seit 19 Stunden auf den Beinen. Das Taxi hält vor dem Eingang.
Die Lobby der Rezeption hat keine Türen. Warum auch, auf Curacao liegt die Temperatur immer bei 30 Grad, die Hurricane der Karibik ziehen oberhalb der ABC-Inseln, den „Inseln unter dem Winde“, vorbei.
„Bon Bini“ steht über dem Empfang, „Willkommen“ in der Landessprache Papiamento. Karen, die Chefrezeptionistin und gute Seele des Hauses, heißt uns ebenfalls mit einem Lachen im Gesicht willkommen. Während sie die üblichen Formalitäten mit uns erledigt, kommt ein kleines Mädchen mit blonden Zöpfen und einer Zahnlücke auf uns zugestürmt und umarmt Adina kraftvoll. Verdutzt sehen wir uns um, erblicken die lachende Familie, die ihren Weg zum Strand fortsetzt. Wir sollten uns später wieder begegnen und eine berührende Geschichte erfahren. Karen zeigt uns den Weg zu unserem Zimmer, gleich neben der Rezeption.
Rollstuhlgerechte Zimmer
„Drum Dushi“ steht in großen Lettern über dem bequem wirkenden Boxspringbett, „süße Träume“. Und tatsächlich signalisieren unsere Körper, dass es nun Zeit wäre, ins Bett zu gehen: die Jetlag-Falle. Wir widerstehen dem mächtigen Drang jedoch, auch wenn wir unsere Umgebung inzwischen nicht mehr ganz klar wahrnehmen, erkunden zunächst unser Appartement, packen ein wenig aus, machen uns frisch und ziehen los, um die direkte Umgebung anzusehen. Es ist drückend heiß, die Luftfeuchtigkeit verstärkt den Jetlag noch zusätzlich. Doch einige Meter weiter, vorbei am Sea Aquarium, zu dem alle Gäste des Dolphin Suites ständig freien Eintritt haben, stehen wir am Strand.
Karibik! Ohne Schuhe geht es schnell mit den Füßen ins Wasser – das ungewohnt warm ist. Wir beschließen, über die befestigte Promenade noch ein Stückchen weiter zu schlendern und entdecken neben weiteren Strandbars den Mambo Boulevard, ein neues Zentrum am Strand mit Bars, Restaurants und zahlreichen Läden, meist maritimen Souvenirläden. Erfreulicherweise sind auch hier viele Einrichtungen rollstuhlgerecht angelegt worden.
Am nächsten Morgen sind wir bereits um 6 Uhr wach – und zwar hellwach. Der Jetlag ist in vollem Gange, obwohl wir am Abend schon kurz nach 8 Uhr ins Bett gefallen sind und das Schlafdefizit nachgeholt haben. Dieser Zustand sollte noch ein paar Tage anhalten. Das moderne Bad ist geräumig, einen Duschsitz haben wir von der Rezeption bekommen – der wird einfach an die Halterungen in der Dusche eingehängt. Zum ersten Mal erleben wir hier, dass ein rollstuhlgerechtes Bad nicht nach Pflegeheim aussehen muss, sondern auch in modernem Design möglich ist. So wie übrigens das gesamte Hotel. Dolphin Suites ist vollständig rollstuhlgerecht, um gerade auch den Patienten und ihren Begleitern eine angenehme, komfortable Unterkunft in der Nähe des Delfintherapiezentrums zu bieten. Es verfügt über insgesamt 20 Appartements unterschiedlicher Kategorien, vom einfachen Zweibett-Appartement mit Bad und Kochnische bis hin zu komfortablen Familien-Suiten.
Nach der Morgentoilette kommt der Hunger. Kaffee gibt es auf dem Zimmer. Auf das Angebot, pauschal Frühstück in der Strandbar Hemingway zu buchen, haben wir verzichtet, weil wir flexibel sein wollen und unterschiedliche Angebote ausprobieren wollen. Unsere Frühaufsteherphase macht es allerdings etwas kompliziert, denn die meisten Läden öffnen auch am Mambo Boulevard erst zwischen 9 und 10 Uhr. Wir spazieren also erst noch etwas am Meer entlang, bis endlich eine Bar mit Poffertjes, Sandwiches und Churros öffnet und unsere knurrenden Mägen erlöst. Wir besuchen zunächst das Sea Aquarium, in das alle Gäste des Dolphin Suites kostenfreien Eintritt haben – der Anhänger des Zimmerschlüssels (natürlich ein Delfin!) reicht als Eintrittskarte. Der Sea Aquarium Park ist gewissermaßen das Herz des Zentrums am Straßenende von Bapor Kibra. Hier, auf dieser aufgeschütteten Lagune, findet alles zusammen: das Sea Aquarium selbst, in dem exotische Fische und Meerestiere bestaunt werden können, das Ocean Encounter, wo Schwimmen mit Delfinen ermöglicht wird. Das Animal Encounter, das Besucher auf Schnorcheltouren durch ein Becken mit Rochen mitnimmt und ihnen das Füttern von Schildkröten und Haien erlaubt. Die Pelican Express, ein rollstuhlgerechtes Boot für Ausflugstouren, und nicht zuletzt das Curacao Delfintherapiezentrum. Wir werden in einer weiteren Reportage genauer auf diese Einrichtungen eingehen. Zunächst wenden wir uns wieder dem direkt um die Ecke gelegenen Dolphin Suites zu, unserem Hotel, in dessen Räumen auch Brucker Biofeedback angeboten wird. Dazu später mehr.
Karibik für Alle – Mit dem Strandrollstuhl ins Meer
Die Hotelmanagerin von Dolphin Suites, Alette Borger, heisst uns ebenfalls willkommen. Und sie schlägt uns reichlich Aktivitäten für die kommenden 12 Tage vor: Delfinschwimmen, eine Bootstour, eine Bustour mit einem Rollstuhl-Bus, Schnorcheln mit Rochen, eine Inseltour mit einem rollstuhlgerechten Mietwagen. Und sie hat noch viele weitere Tipps auf Lager: sie kennt die besten Restaurants, die schönsten Strände, und die angesagtesten Clubs. Sie kennt ihre Insel eben, und weiß sie anzupreisen. Alle ihre Tipps sollten sich als echte Perlen erweisen! Zunächst aber geht es mit einem der hauseigenen Strandrollstühle an den Strand: etwas sperrig und schwierig zu steuern, aber der Weg ist kurz, und der Rollstuhl sogar schwimmfähig. Perfekt, um auch als Nichtschwimmer einmal so richtig im warmen Karibikwasser zu planschen!
Nach einigen Tagen haben wir uns gut eingelebt. Abends, wenn es um zwei Grad abkühlt, wird uns beinahe fröstelig, wir beginnen, die karibische Ruhe und Gelassenheit zu leben. Dazu trägt auch das Dolphin Suites bei: bei allen Fragen hilft die Rezeption, kleine Probleme werden sofort tatkräftig gelöst. Nach allen Ausflügen kehren wir abends voll von schönen Erinnerungen zurück ins Hotel – und schlafen bei Meeresrauschen und singenden Vögeln vor den offenen Balkontüren ein.
Künftig wird es im Dolphin Suites mehr Platz geben – und noch mehr Angebote. Bereits jetzt ist der Service umfangreich: Frühstück, Halb- oder auch Vollpension in einem der drei umliegenden Restaurants können auf Wunsch dazugebucht werden, es werden regelmäßig karibische BBQ-Abende oder Kinderveranstaltungen angeboten. Die Rezeption organisiert zusätzlich benötigte Hilfsmittel, sorgt bei Bedarf für einen ambulanten Pflegedienst, sorgt für Bootstouren oder Mietwagen aller Art, und gibt auch bei Bedarf eine Einkaufsliste weiter, falls Gäste überhaupt nicht mobil sein sollten. Ausflüge mit einem Rollstuhl-Bus können ebenfalls gebucht werden, und täglich fahren zwei Mal Shuttle-Busse (die allerdings leider nicht rollstuhlgerecht sind – hier ist Umsitzen nötig) zu zwei Supermärkten. Bei den Minibussen, die vier Mal pro Stunde in die Stadt fahren, ist das leider genauso.
Im kommenden Jahr fällt der Startschuss für eine Erweiterung: ein großer neuer Flügel soll nicht nur neue Zimmer schaffen, sondern auch gleichzeitig neue Service-Einrichtungen beherbergen, damit auch direkt im Haus Verpflegung oder Einkauf möglich wird. Aber: „Nicht zu groß – es muss auf jeden Fall familiär bleiben hier“, betont Hotelmanagerin Alette Borger.
Die Brucker Biofeedback-Methode
Am letzten Tag haben wir Ablenkungsprogramm, so dass wir erst im Flieger so richtig schwermütig werden können. In letzter Minute haben wir die Chance bekommen, uns die Brucker Biofeedback-Methode demonstrieren zu lassen – die hier direkt im Haus angeboten wird. Ricarda, die Cheftherapeutin, ist vor vielen Jahren von Deutschland nach Curacao ausgewandert und hat in München nach ihrer Physiotherapieausbildung eine Weiterbildung zur Brucker Biofeedback-Therapeutin gemacht.
Sie erklärt zunächst, worum es dabei überhaupt geht: Muskeln werden über die Nervenbahnen mit elektrischen Impulsen stimuliert. Mittels Elektroden wird gemessen, wie stark die Ströme sind, mit denen bestimmte Muskeln angesteuert werden. Auf einem Monitor werden die Ströme kontinuierlich als Kurve dargestellt, zusätzlich können auch akustische Signale beim Erreichen eines bestimmten Wertes eingestellt werden. So kann beispielsweise bei Muskelerkrankungen oder Nervenschäden das Training unterstützt werden, weil die zusätzlichen Informationen motivierend wirken, wie Ricarda erklärt: „Ohne diese Methode merkt der Patient nur, dass trotz seiner Anstrengung nichts passiert. So sieht er aber auf dem Monitor genau, was passiert, und kann versuchen, seine Kraft anders zu lenken.“
Adina mit ihrer Muskelkrankheit ist dafür der optimale Testkandidat, also wird sie kurzerhand am Unterarm verkabelt. Sie hat Schwierigkeiten, die Hand im Handgelenk nach oben zu kippen und dabei die Finger auszustrecken. Ricarda legt Elektroden am jeweils zuständigen Beuger- und Streckmuskel an und bittet Adina, die Hand nach oben zu kippen. Auf dem Monitor wird sichtbar, dass der Streckmuskel zwar funktioniert, der Beuger aber sehr viel stärker dagegen arbeitet. Dadurch schafft sie es kaum, die Finger zu strecken. Ricarda stellt nun zwei Grenzlinien ein: eine hohe Linie, unter die der Wert des Beugemuskels fallen soll, und eine etwas niedrigere, die von den Strömen des Streckers überstiegen werden soll. Und tatsächlich: schon nach wenigen Anläufen schafft sie es, die Hand leicht nach oben zu kippen und die Finger langsam etwas gerader zu machen.
Ricarda erklärt uns, welche Möglichkeiten sich damit für Patienten in Physiotherapie ergeben: „Gerade bei stagnierenden Therapieansätzen kann die Brucker Biofeedback-Methode unterstützend wirken. Wir können keine Physiotherapie ersetzen, aber sie unterstützen. Und viele Patienten haben nach einigen Sitzungen wieder deutliche Erfolge in der Physiotherapie, die sie teilweise monatelang nicht mehr gesehen haben – oder Eltern von geistig herausgeforderten Kindern sehen plötzlich, dass ihr Kind doch etwas, was sie ihnen sagen, realisieren und versuchen, umzusetzen. Da gibt es öfter Freudentränen…“
Wir sind beeindruckt. Es ist schwer, zu beschreiben, wie diese Methode, die auch in Rotterdam angeboten wird, konkret funktioniert. Sie zu erleben und tatsächlich auch sofort einen Erfolg zu sehen, hat uns begeistert. Trotz vorliegender wissenschaftlicher Studien, die die Wirksamkeit in vielen Fällen belegen, werden aber leider bis heute die Kosten dafür nicht von den Krankenkassen übernommen. Erfolglose Physiotherapie-Einheiten hingegen werden bezahlt. Wir sind ein wenig verwundert über diese Tatsache, obwohl uns im Bezug auf Kassenleistungen nicht mehr allzu viel wundert.
Klar ist, dass die Brucker Biofeedback-Methode keine Wunderheilung leisten kann. Die verspricht sie aber auch nicht. Jeder Patient wird vorab untersucht, ob er überhaupt für diese Therapie in Frage kommt. Und bei jenen, die angenommen werden, liegt eine hohe Erfolgsquote vor, sodass Patienten mit neuen Möglichkeiten zurückkehren können in ihre reguläre Therapie. Nun wurde uns auch klar, warum gerade hier in Dolphin Suites diese Therapie angeboten wird: sie ist die ideale Ergänzung zu dem ganzheitlichen, nachhaltigen und interdisziplinären Ansatz, der auch im Delfintherapiezentrum verfolgt wird.
Der Abschied von Dolphin Suites
Am Flughafen bleibt uns nur wenig Zeit bis zum Boarding. Wir besorgen uns noch ein paar Souvenirs, als plötzlich ein kleines Mädchen mit blonden Zöpfen und Zahnlücke vorbeihuscht und uns zuwinkt.
Im Flieger haben wir nun reichlich Zeit, unsere Gedanken schweifen und den Urlaub revuepassiveren zu lassen. In den vergangenen beiden Wochen haben wir unglaublich viel erlebt und viele neue Impulse gesammelt. Wir haben tolle Menschen kennengelernt, sowohl im Hotel als auch unterwegs, haben neue Freundschaften geschlossen und tragen viele wunderbare Erinnerungen im Herzen. Das Hotel hat dazu wesentlich beigetragen. Wir sind uns beinahe sicher, eines Tages noch einmal hier zu sein, und freuen uns auf diesen Tag…
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