Reaktion der Deutschen Bahn auf Kritik an Reisen mit Behinderung

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Piktogramme und Informationen im BahnhofDie Deutsche Bahn hat reagiert. Vor einiger Zeit hatte ich in dem Beitrag Die Deutsche Bahn und Rollstuhlpassagiere – keine harmonische Beziehung eine ganze Reihe von Problemen aufgearbeitet, die wir bei verschiedenen Reisen mit der Bahn mit Rollstuhl hatten. Das Social Media-Team der Deutschen Bahn wurde auf den Blogeintrag aufmerksam und hat mir ein Feedback versprochen. Nun ist es soweit: die Bahn nimmt Stellung zu den Kritikpunkten, die ich in besagtem Eintrag angesprochen hatte.

Ein Wort vorweg: es ist sehr erfreulich, dass ein Unternehmen konstruktive Kritik aufnimmt und Hilfestellungen dazu anbietet. Dazu ein ernstgemeintes “Danke!” an das Social Media-Team von @DB_Bahn! Nachfolgend die (verkürzten) Antworten im Einzelnen und meine Kommentare dazu. Eine Kürzung war notwendig, um die Übersichtlichkeit zu gewährleisten, ich versuche aber, die Zusammenhänge beizubehalten.

Schienenersatzverkehr
Der Schienenersatzverkehr wird bei anstehenden Streckensperrungen regional geplant. Der Anteil der Niederflurbusse wird durch die jeweils in der Region vorhandenen Busse beeinflusst.
Die Vorgehensweise ist in Bezug auf die Rollstuhlbeförderung sehr unterschiedlich. Wenn z.B. keine anderen Möglichkeiten zur Verfügung stehen, werden auch gesonderte
Fahrten mit Taxen oder speziellen Beförderungsunternehmen organisiert. Hier kann auch über unsere Mobilitätsservice-Zentrale eine Beratung über geeignete Umfahrungen und über die Möglichkeiten, den Schienenersatzverkehr zu nutzen, erfolgen. Bei rechtzeitiger Anmeldung bemühen sich die Kollegen gezielt darum, den jeweils eingesetzten Bus auch als Niederflurfahrzeug verkehren zu lassen.

Kommentar: Es ist also aus verständlichen Gründen nicht immer möglich, Niederflurbusse einzusetzen. Im Zweifel hilft aber die Mobilitätszentrale der Deutschen Bahn Rollifahrern aus der Patsche, damit sie nicht stranden. Bei spontanen Fahrten ist das natürlich etwas schwieriger, hier ist noch ein wenig Kompromissbereitschaft erforderlich, die Bahn bemüht sich aber um individuelle Lösungen.

Bahnhof Bützow
Richtig ist hier, dass dort kein örtliches Personal mehr vorhanden ist. Hier wird aber nach Voranmeldung Personal von anderen Bahnhöfen disponiert. Diese Mitarbeiter leisten dann sowohl die Ein-/Ausstiegshilfen für Rollstuhlfahrer und organisieren auch die Gleisquerung. Reisen mit Umstieg in Bützow sind daher möglich.

Kommentar: Eine generelle Umleitung von Anschlusszügen auf das Hausgleis ist nicht immer möglich, so die Deutsche Bahn. Im Einzelfall kann das klappen, bedeutet aber nicht, dass das im Umkehrschluss immer möglich ist. Reisen über Bützow sollten also nach Möglichkeit 24 Stunden vor Fahrtantritt angemeldet werden. Wer spontan reist, muss auch hier Kompromisse eingehen und auf ein engagiertes Zugteam hoffen – das aller Erfahrung nach aber meist anzutreffen ist.

– Zwei weitere Zitate werden an dieser Stelle ausgelassen, weil sie nicht unbedingt von Interesse für die Allgemeinheit sind – es soll ja trotz des Umfangs übersichtlich bleiben. –

Geplante Bauarbeiten zwischen Berlin und Neustrelitz
Die Strecke Rostock – Neustrelitz – Berlin wird ab September 2012 komplett für den Zugverkehr gesperrt. Die Baumaßnahme erfordert einen hohen planerischen Aufwand sowie ein komplexes Umleitungs- und Ersatzkonzept. Es werden auf allen Linien (außer der Buslinie A, Direktverbindung Rostock – Berlin) spezielle Fahrten mit Niederflurbussen bzw. speziell ausgerüstete Busse eingesetzt. Die Fahrten, die
mit diesen Bussen durchgeführt werden, werden in den Fahrplanunterlagen und in der Reiseauskunft im Internet besonders gekennzeichnet.

Mobilitätseingeschränkten Reisenden, die direkt zwischen Rostock und Berlin unterwegs sind, empfehlen meine Kollegen die Umfahrung des gesperrten Streckenabschnittes mit den Linien RE 1 und
RE 2. In der Broschüre zu den Bauarbeiten und in den FAQ im Internet wird zusätzlich noch auf die Möglichkeit der Anmeldung bei der Mobilitätsservice-Zentrale der DB per E-Mail unter msz@deutschebahn.com oder alternativ bei den regionalen Ansprechpartnern im Nahverkehr per Telefon: 0385 750 2405 oder e-Mail ran-mecklenburg-vorpommern@bahn.de hingewiesen. Über die Anmeldung würden sich die Kollegen freuen, sie ist aber natürlich nicht zwingend erforderlich.

Kommentar: Hier hat die Deutsche Bahn umsichtig gehandelt und stellt sicher, dass trotz der Gleisarbeiten ein Reisen mit Rollstuhl mit der Bahn möglich ist – durch Niederflurbusse im SEV bzw. Alternativrouten, die behindertengerecht sind. Kompromissbereitschaft wird hier natürlich von allen Passagieren vorausgesetzt, egal ob behindert oder nicht. Das ist eben unumgänglich, um das teils sehr marode Streckennetz zu modernisieren – sehe ich ein.

Thema: Der Bahnhof Bad Kleinen
In Bad Kleinen ist dezeit der Mobilitätsservice von 6.00 – 22.30 Uhr möglich. Außerhalb der Anwesenheitszeiten des örtlichen Personals wird Personal von anderen Standorten dorthin entsandt (ähnlich wie in Bützow). Auch hier können alle Hilfeleistungen angeboten werden. Zu diesem Bahnhof aber noch der Hinweis: Der Bahnhof Bad Kleinen wird mittelfristig modernisiert und dabei auch mit Aufzügen zu den Bahnsteigen
ausgestattet, die durch eine Brücke verbunden werden. Der Baubeginn wird voraussichtlich Ende 2014 sein. Das ist zwar noch ein wenig Zeit, als Information aber sicherlich Interessant.

Kommentar: Diese Auskunft bezieht sich auf einen Kommentar im erwähnten Blogbeitrag, der erfreulicherweise auch aufgenommen wurde.

Fazit

Es ist nicht alles optimal. Das wird es auch in naher Zukunft sicher nicht werden. Wer mit der Bahn im Rollstuhl verreisen möchte, muss insbesondere bei Spontanfahrten flexibel sein und Kompromisse einzugehen bereit sein. Es scheint aber tatsächlich, dass die Bahn Mobilität nicht als bloßes Lippenbekenntnis vermarktet, sondern sich bemüht, im Einzelfall individuelle Lösungen zu finden. Wichtig dabei ist der konsequente und wiederkehrende Dialog, denn meine Kommunikation mit der Deutschen Bahn zeigte deutlich, dass hier viel zu selten Feedback kommt und nicht nur seitens der Rollstuhlfahrer, sondern auch seitens des Unternehmens selbst noch viele Unklarheiten herrschen. Wer gravierende Missstände entdeckt, sollte diese – natürlich möglichst neutral formuliert – an die Deutsche Bahn weiterleiten, damit die Situation behoben werden kann. Es ist ein noch recht langer Weg, den wir zu gehen haben, um wirkliche Barrierefreiheit zu erzielen. Wir müssen ihn aber gemeinsam gehen – und dabei miteinander reden.

Vielen Dank an die Deutsche Bahn für das Engagement und das umfangreiche Feedback und an alle Kommentatoren, die sich am vorangegangenen Artikel beteiligt haben!

Foto: Deutsche Bahn AG

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