Deutsche Bahn: Ohne Hublifter in den ICE – ein Ausblick

Rollstuhlfahrer auf Hublifter am ICE beim Verladen
Rollstuhlfahrer auf Hublifter am ICE beim Verladen

Foto: Arne List/flickr.com (cc by-sa 2.0)

Eigentlich hätten Rollstuhlfahrer Grund zu feiern. Gerade eben hat das Eisenbahnbundesamt einige der neuen ICE 3 für den Personenverkehr freigegeben – nach jahrelangen Verzögerungen und gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen Hersteller Siemens, Besteller DB und dem Eisenbahnbundesamt (EBA). Die für Rollstuhlfahrer größte Neuerung an den neuen Zügen der DB-Baureihe 407 namens Velaro D: der bordseitige Hublifter mit einer Kapazität von bis zu 350kg. Das bedeutet, dass Rollstuhlfahrer endlich ohne zusätzlichen Hublifter seitens des Bahnhofsservices ein- und aussteigen können. Doch wie sieht das Reisen mit der Bahn im Rollstuhl künftig aus? Ein Ausblick.

In der Einleitung schränkten wir bereits ein: “Eigentlich” hätten Rollstuhlfahrer Grund zu feiern. In der Praxis sieht es so aus, dass das EBA nun gerade einmal vier der insgesamt bestellten 16 neuen Züge freigegeben hat – die eigentlich schon seit 2011 fahren sollten. Wann sie nun in den Fahrplan aufgenommen werden, ist zudem noch unbekannt. Bis die ersten Rollstuhlfahrer über den bordseitigen Hublift ein- und aussteigen können, wird es möglicherweise noch bis zum Sommerfahrplan dauern – der Winterfahrplan ist erst vor wenigen Tagen in Kraft getreten.

Grundsätzlich sind die Zukunftsaussichten aber besser: Künftig werden alle neuen Fernverkehrszüge derart ausgestattet. Die Deutsche Bahn plant, die bislang im Einsatz befindlichen Intercitys (IC) sowie die ICE 1 und 2 langfristig zu ersetzen. Das Projekt nennt sich DB ICx und sieht bordseitige Hublifte in jedem Zug vor. Die ersten Züge der Baureihe sollten ab 2017 in den Einsatz kommen, bis 2020 sollten die bisher eingesetzten Intercitys durch den ICx ersetzt werden, die ICE 1 und 2 bis 2025. Soweit die Planung. Die bisherigen Erfahrungen mit der drastisch verzögerten Auslieferung der ICE 3 lassen diesen Plan allerdings sehr ambitioniert erscheinen – konnten doch nicht einmal 16 Züge auch nur annähernd fristgerecht eingesetzt werden. Beim Projekt ICx geht es langfristig um insgesamt knapp 300 Züge im deutschen und internationalen Fernverkehr.

Kritisch zu betrachten ist auch die Planung der Rollstuhl-Stellplätze. Die ICx sollen in fünf- bis zwölfteiligen Garnituren eingesetzt werden, wobei eine siebenteilige sowie eine zwölfteilige Garnitur die sogenannte Basiskonfiguration darstellen. Der siebenteilige ICx soll nach aktuellen Planungen zwei, der zwölfteilige drei Rollstuhlplätze vorhalten. Betrachten wir dabei den demografischen Wandel, die zunehmend bessere Versorgung mit Hilfsmitteln, den Zuwachs des Reisemarktes auch unter Menschen mit Behinderungen sowie die steigende Lebenserwartung der Bevölkerung, lässt sich schnell erahnen, dass hier deutlich zu knapp kalkuliert wurde. Zwar haben alle Züge noch ein wenig zusätzlichen Spielraum für mehr Rollstuhlfahrer, allerdings werden beispielsweise Rollstuhlgruppen auch weiterhin das Nachsehen haben und getrennt reisen müssen.

Mobilista.eu wird sich in Zusammenarbeit mit weiteren Aktivisten und Menschen mit Behinderungen erneut mit der Deutschen Bahn zusammensetzen und hier auf konstruktive Lösungen hinarbeiten. Denn die bisherigen Planungen sind erfreulich, aber aller Voraussicht nach nicht weitreichend genug, zudem das Projekt ICx ein langfristiges Ziel darstellt und mit einem Einsatz dieser Züge bis ins Jahr 2045 und länger gerechnet werden muss – was gerade in Sachen Rollstuhlplätzen deutlich mehr Weitblick erfordert. Aber: es tut sich etwas, und die konsequente Planung bordseitiger Hublifte ist ein erster Schritt in die richtige Richtung – in Richtung Mobilität für Rollstuhlfahrer. Doch bis dahin werden noch Millionen Male Service-Mitarbeiter an den Bahnhöfen die altbekannten Hublifte an die Züge heranfahren müssen und Rollstuhlfahrer mit trockenem Humor und ruckartigen Hub- oder Absenkbewegungen an ihr Ziel bringen.

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