Strand, Wald, Berge: Mit dem Rollstuhl ins Gelände

Rollstuhlfahrer im Gebirge
Rollstuhlfahrer im Gebirge

Foto: Rick McCharles/flickr.com (cc by 2.0)

Ein Rollstuhl bedeutet Mobilität, die sonst nicht möglich wäre. Mittlerweile hat auch die Zubehörindustrie begriffen, dass Rollstuhlfahrer Mobilität mit möglichst geringen Hürden und Hindernissen wünschen, und hat darauf reagiert. Kann man nun also mit einem Rollstuhl auch an den Strand brettern? Die Berge unsicher machen? Oder einfach mal zusammen mit dem Kumpel eine rasante Downhill-Abfahrt hinlegen? Grundsätzlich: hängt vom Fahrer ab. Und ein wenig auch von der Technik – wir haben uns umgesehen, welche Hilfe es erleichtern, mit dem Rollstuhl abseits befestigter Wege ins Gelände zu fahren.

Vorweg: Es hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, ob jemand mit seinem Rollstuhl wirklich ins Gelände ausreiten kann. Der Fahrer selbst, seine verbleibenden Fähigkeiten, der Typ des Rollstuhls, und viele andere Dinge müssen dabei betrachtet werden. Der E-Rollstuhl ist natürlich für grobes Gelände die unflexibelste Lösung. Kleinere Höhenunterschiede und Unwegsamkeiten mögen damit noch zu bewältigen sein, an eine zünftige Bergtour und anschließende Bretterljause auf der Bergalm ist damit aber nur bei optimalen Wegen zu denken. Doch auch unter den manuellen Rollstühlen tun sich gewaltige Unterschiede auf: ob Leichtgewicht- oder Aktivrollstuhl, ob Sportrolli oder das herkömmliche Seniorenheim-Modell – schon hier entscheidet sich, ob der Rollstuhl fürs Gelände geeignet ist. Die Rahmengeometrie spielt dabei ebenso eine große Rolle wie das Gewicht, der Klapp- oder Faltmechanismus, die Stärke des Rahmens und die Bereifung.

Die Vorderräder eines Rollstuhls sind nur dann fürs Gelände geeignet, wenn sie abgerundet sind. Flache Laufrollen, wie sie beispielsweise bei Sportrollstühlen zum Einsatz kommen, neigen zum Verkanten und Blockieren an Unebenheiten. Vollgummi-Laufrollen sind am Rollstuhl also das Mittel der Wahl, wenn es in unwegsamere Gebiete gehen soll. Und auch die Bereifung spielt eine wichtige Rolle: schmale pannensichere Reifen sind für die Stadt ideal, versinken aber sehr schnell in Sand, Matsch oder Schnee und sind daher eher ungeeignet, zudem bietet das Profil kaum Halt. Hier empfehlen sich Montainbike-Reifen – und natürlich Flickzeug im Gepäck. Der Rahmen sollte möglichst leicht sein und keinen allzu hohen Schwerpunkt besitzen, um die seitliche Kippgefahr gering zu halten – den Schwerpunkt in der mittleren Achse müssen Rollstuhlfahrer individuell selbst bestimmen. Manch einer bevorzugt sportliches Fahren und wünscht daher einen Schwerpunkt weit vorn, der allerdings auch zu einer erhöhten Kippgefahr nach hinten führt, andere bevorzugen Sicherheit und wählen den Schwerpunkt weiter hinten. Zudem sollten vor Ausflügen mit dem Rollstuhl ins Gelände alle Scharniere und Verbindungen kritisch überprüft werden – ein Achsbruch ist schon zuhause eher unlustig, in einsamen Wäldern oder im Gebirge kann er aber zu einer echten Gefahr werden. Ein komfortables Sitzkissen sollte ebenfalls mit an Bord sein, denn im Gelände sind ständig Stöße auf die Wirbelsäule und das Gesäß zu erwarten.

Der Zubehörmarkt hält mittlerweile zudem eine ganze Menge Hilfsmittel bereit, die auch in schwierigen Verhältnissen noch unterstützen sollen. Elektrische Rollstuhl-Zuggeräte wie der Swiss Trac, Mini Trac, Speedy Handbikes und andere gibt es mittlerweile in Hülle und Fülle. Sie werden mit einer Kupplung an den Rollstuhl montiert und ziehen ihn samt Fahrer mit eigenem Antrieb – je nach Modell durchaus auch in gebirgigen Regionen. Eher für sandiges Terrain geeignet und für Passivfahrer, die sich schieben lassen, sind Hilfen wie der Snoll On oder der Speedy-Buggy, die mit einem deutlich größer dimensionierten Vorderrad daherkommen und so montiert werden, dass die eigentlichen Vorderräder des Rollstuhls in der Luft hängen.

Wen es nun endgültig in den Süden an den Strand zieht und auch mit dem Rollstuhl an den Strand möchte, der könnte sich als Alternative zu herkömmlichen Strandrollstühlen, die längst noch nicht überall anzutreffen sind, CadWeazle ansehen: Ballonreifen, die anstatt der herkömmlichen Räder am Rollstuhl montiert werden. Sieht martialisch aus, sorgt aber dafür, dass der Besitzer bequem im eigenen Rollstuhl am Strand sitzen kann.

Es gibt also eine wachsende Anzahl an Hilfsmitteln, mit denen sich Rollstuhlfahrer auch in unwegsames Gelände vorwagen können. Und eine Bergtour im Rollstuhl ist, wie Handbiker Felix Brunner jüngst bewies, kein absolutes No-Go mehr. Entscheidend sind dabei die eigenen Fähigkeiten, die Ausrüstung und die Frage der Finanzierung, denn viele solcher Hilfsmittel werden nur unter bestimmten Bedingungen von der Krankenkasse finanziert. Einige dieser Hilfsmittel können allerdings auch zeitweise gemietet werden – dadurch bleibt das Ganze dann zwar noch immer eine Frage des Geldbeutels, aber die Finanzierbarkeit rückt zumindest in greifbare Nähe.

Habt ihr bereits Erfahrungen im Gelände gemacht? Welche Tipps habt ihr parat?

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