Sitzen – aber richtig! Von Sitzkissen und anderen “Kleinigkeiten”

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Katze in altem Rollstuhl
Katze in altem Rollstuhl

Foto: gniliep/flickr.com (cc by 2.0)

Gerade bei Erstversorgungen, aber auch bei Folgeversorgungen wird ein Aspekt häufig übersehen: das Sitzkissen. Aber Kissen ist doch eigentlich Kissen – oder? Warum dieses kleine Detail viel zu oft vernachlässig wird und warum es eine erhebliche Rolle spielt, welches Sitzkissen zum Rollstuhl geliefert wird, zeigen wir anhand einiger Beispiele. Denn ein gutes Sitzkissen für den Rollstuhl ist mehr als nur ein Schaumstoffblock mit Stoffumspannung – und es muss eine ganze Menge können.

Den ganzen Tag sitzen. Was für gehfähige Menschen häufig schon mühsam ist, ist für Rollstuhlfahrer praktisch alternativlos. Sie können in den meisten Fällen nicht einmal eben aufstehen und sich die Beine vertreten – was gehfähige Menschen meist ganz automatisch und unbewusst tun. Wer im Rollstuhl sitzt, ist außer während des Schlafens und im Bad im ständigen Kontakt mit dem Sitzkissen. Ein guter Grund also, sich anzusehen, warum Sitzkissen nicht gleich Sitzkissen ist und warum es bei der Anpassung des Rollstuhls ebenfalls berücksichtigt werden muss!

Sitzkissen gibt es in den unterschiedlichsten Ausführungen und in verschiedenen Formen. Ob in Keilform, als ebenes Kissen, als billiges Standardmodell aus Schaumstoff oder in Luxusausführung mit Luftkissen, der Vielfalt sind kaum Grenzen gesetzt. Und umso erstaunlicher ist es, dass sich viele Rollstuhlfahrer darum keine Gedanken machen – und auch Sanitätshäuser bei der Anpassung des Rollstuhls häufig einfach darüber hinweggehen und automatisch ein x-beliebiges Sitzkissen mit ausliefern. Was zeichnet ein gutes Sitzkissen für den Rollstuhl denn überhaupt aus?

  • Hohe Strapazierfähigkeit: Ganz unabhängig vom Körpergewicht sitzen viele Rollstuhlfahrer bis zu 16 Stunden täglich im Rollstuhl. Billige Schaumstoffkissen weisen oft schon nach wenigen Wochen entsprechende Abdrücke des Gesäßes im Material auf und sind nicht mehr in Form zu bekommen. Der Rollstuhlfahrer wird so quasi in eine bestimmte Körperhaltung fixiert – mögliche Fehlhaltungen, Verspannungen und Schmerzen können Folgen eines durchgesessenen Sitzkissens sein.
  • Durchlüftung: Die Haut muss atmen können. Das gilt insbesondere zur Dekubitus-Prophylaxe gerade auch am Gesäß. Durch Stauwärme kommt es häufig zu erhöhtem Schweißfluss, und einfache Schaumstoffkissen bilden hier eine Sperre gegen Luftzirkulation und Feuchtigkeit. Mögliche Folgen sind Dekubitus und muffig-modrige Sitzkissen.
  • Waschbarer Bezug: Ein Stoffbezug, der ständigen Körperkontakt hat, sollte unbedingt abnehmbar und waschbar sein. Völlig gleich, ob eine Inkontinenz vorliegt, die das Problem noch zusätzlich verschärft, oder ob es einfach nur gerade heiß ist: im Sitzkissen versickern täglich Körperflüssigkeiten, die nicht nur auf Dauer für unangenehmen Geruch sorgen, sondern auch einen Bakterienteppich bilden können. Mögliche gesundheitliche Folgen wären Harnwegsinfekte durch aufsteigende Infektionen, Dekubitus und andere Erkrankungen.
  • Flexibilität: Gehfähige Menschen wechseln im Sitzen häufig ihre Haltung, um Verspannungen vorzubeugen und die Belastung auf andere Muskelgruppen zu verschieben. Spezielle Sitzkissen mit Luftkissen können dabei helfen, indem über Ventile die Verteilung der Luft im Kissen gesteuert wird und so die Sitzhaltung stark beeinflusst wird.

Ein Praxisbeispiel, um die Dringlichkeit dieser Überlegungen zu unterstreichen: Meine Partnerin litt während ihres Studiums sehr häufig unter teils starken Rückenschmerzen. So lange, bis wir mit dem neuen Rollstuhl auch ein Luftkissen bekommen haben. Dieses Kissen von Alesco ist mit vier gleich großen Luftkissen ausgestattet, deren Füllung über Ventile individuell verteilt werden kann. Darüber liegt eine Gelmatte, um einen gleichmäßigen Sitzkomfort zu ermöglichen. Trotz der immens hohen Kosten für dieses Kissen konnten wir den Gutachter des MDK von der Notwendigkeit der Anschaffung überzeugen, und die Rückenschmerzen treten seit der Lieferung diesen Kissens statt mehrmals wöchentlich höchstens noch einmal monatlich auf!

Es lohnt sich also, auch so ein vermeintlich kleines Detail gelegentlich genauer unter die Lupe zu nehmen. Und wer häufiger unter Rücken- oder Kopfschmerzen sowie Verspannungen leidet, sollte sich in einer ruhigen Minute einmal sein Sitzkissen genauer ansehen. Lässt sich daraus schon das Abbild des Hinterteils zeichnen: weg damit! Denn genau das könnte der Grund für eure Schmerzen sein. Fragt im Sanitätshaus nach, welches Kissen sie euch empfehlen würden – das ist gleichzeitig auch ein guter Test, ob ihr dort richtig aufgehoben seid. Denn wenn ihr auf diese Frage hin nur verwunderte Blicke erntet, wisst ihr, dass es Zeit wird, das Sanitätshaus zu wechseln…

Habt ihr bisher auf so etwas wie das Sitzkissen geachtet? Oder fällt es euch gerade wie Schuppen von den Augen? Wir sind gespannt, welche Erfahrungen ihr gemacht habt – schreibt sie doch einfach im Kommentarfeld nieder!

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